Reaktion der Landessynode durch Herrn Dr. Kannengießer und unsere Meinung dazu
Sehr geehrte Interessierte,
Wir wollen es vorwegnehmen:
Aus der Chance für einen offenen Austausch auf Augenhöhe, scheint sich eine erneute Machtdemonstration seitens der Synode abzuzeichnen.
Wir sind enttäuscht und äußerst irritiert ob der Antwort aus der Synode, die uns jüngst erreichte. – Wir zitieren aus dem Schreiben von Dr. Kannengießer, Präsident:
1. Zur Frage, wer (Betroffene von Diakonie/Landeskirche) das Rederecht in Anspruch nehmen kann:
“Wir haben im Vorfeld sehr ausführlich über diese Frage beraten und das auch aufgrund Ihrer Anfrage noch einmal getan. Die ForuM-Studie hat sehr klar benannt, dass es innerhalb von Kirche und Diakonie Verantwortungsdiffusion im Blick auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt gibt. Diese Einschätzung teilen wir. Gerade deshalb ist es uns wichtig, transparent zu machen, für welche Bereiche die Landessynode Verantwortung übernimmt und wo unser Zuständigkeitsbereich endet. Wir möchten im Sinn der betroffenen Personen nicht, dass betroffene Personen ihr Anliegen an uns als Landessynode richten und wir Ihnen antworten müssen, hier nicht zuständig zu sein. Das wäre bei Fällen sexualisierter Gewalt aus dem Bereich der Diakonie aber der Fall. Deshalb hat das Präsidium entschieden, dass wir bei dieser Einschränkung des Rederechts bleiben, die wir in unserem Aufruf formuliert hatten.”
2. Zu der Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit während der Redebeiträge:
“Für die Redebeiträge betroffener Personen im Rahmen der Tagung der Landessynode ist es uns wichtig, einen geschützten Raum und eine Atmosphäre zu schaffen, in der ein konzentrierter Austausch zwischen den Mitgliedern der Landessynode und betroffenen Personen möglich ist. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, dass der direkte Austausch in einer nichtöffentlichen Sitzung stattfinden wird. Daneben wird es in der Plenarsitzung am Nachmittag des 26. November weitere Beratungen zu dem Themenbereich sexualisierter Gewalt geben, die dann auch wieder öffentlich sind.”
Hierauf reagieren wir gemeinsam mit einigen Zitaten von Betroffenen und regen an, dass Sie sich als Interessierte ein Bild davon machen, wie weit sich in der Landeskirche Hannovers der sog. Kulturwandel, in Haltung, Machtsensibilität und angesichts der gezeigten Bereitschaft, auf die tatsächlichen Bedürfnisse von Betroffenen einzugehen, bis heute tatsächlich entwickelt hat.
Zitate aus der Betroffenenvertretung der URAK Niedersachsen und Bremen:
Jürgen Dietrich:
“Typisch!! Bürokratie als Abwehrstrategie…“
Marie Sander:
„Wo sollen denn Betroffene aus dem Kontext von Diakonie sonst eine angemessene Plattform finden?!”
Ioannis Wolters :
„Hier will wieder einmal die Kirche uns Betroffene in zwei Gruppen zerreißen, dabei ist es gleich, ob jemand von einem Kirchendiener oder von einem Diakon missbraucht und gequält wurde. Beide Institutionen sind evangelische Kirche.
Deshalb muss das Rederecht für jeden Betroffenen gelten. Sonst ist die gesamte Kirche mit all ihren Einrichtungen nicht mehr glaubwürdig.”
Ronald Schulze:
„Soweit ich es verstehe, sind wir Heimkinder wieder einmal ausgegrenzt worden, denn die Landeskirche Hannovers macht einen Unterschied zwischen Kirche und Diakonie. Mir kommt es so vor, dass wir Heimkinder wieder gedemütigt werden, und nur sprechen dürfen, hinter verschlossen Türen. Ich schäme mich für diese Leute.“
Kerstin Krebs:
„Wenn Kirche die ForuM-Studie als Grundlage nimmt, um dem Problem der ‚Rollendiffusion‘ zwischen Kirche und Diakonie zu begegnen, dann ist gerade das Argument, Betroffene aus Diakonie nicht sprechen zu lassen, ein kontraproduktives. Denn ohne Zuzuhören, können Diffusionen kaum identifiziert werden! Zumal in einer Zeit, in der Kirche und Diakonie auf allen Ebenen (inklusive Befo) zusammenwächst.”
und zur Abwesenheit von Öffentlichkeit:
“Und wieder konzipiert die Landeskirche einen sog. ‘Schutz für Betroffene’, der genau das Gegenteil bewirkt: indem die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, die Betroffenen im entscheidenden Teil des Tagesablaufs komplett isoliert werden, wird die Barriere vor der Synode sprechen zu wollen oder können, massiv verstärkt. Auch diesbezüglich erscheint es gar nicht denkbar, die ForuM-Studie so falsch verstehen zu können. Es grenzt in meinen Augen an Arbeitsverweigerung, wenn Synode nicht mit simplen, technischen Lösungen auf das jeweilige individuelle Bedürfnis an Öffentlichkeit aus Sicht der Betroffenen eingeht.“
Tatsächlich hat die Landeskirche bisher bei verschiedensten Veranstaltungen beste Erfahrungen sammeln können mit Video-Schaltungen, die Interessierte zu- und abschalteten. Das ist sicher auch für den Ton möglich, falls jemand nicht gesehen, aber gehört werden möchte. Damit dürften technische Voraussetzungen für die unterschiedlichen Bedürfnisse von Betroffenen einfach und ohne größeren Aufwand herzustellen sein.
Jede Form von Vereinzelung von Betroffenen wirkt erneut isolierend und spricht den selbstverständlich erforderlichen Handlungsraum ab. (siehe auch u.a. ForuM-Studie). Dazu kommt eben zusätzlich der streng reglementierte Ablauf der Redezeit, der die Betroffenen während der Rede vor der Synode auch voneinander isoliert.
Um die Zeitdauer in Theorie und Praxis abzugleichen hinsichtlich der Beteuerungen von Kirche und Diakonie, führen wir hier ein kurzes Zitat an aus dem Buch “Heimwelten”, das im Jahr 2011 im Verlag für Regionalgeschichte erschien.
Aus der Reihe: Schriften des Instituts für Diakonie- und Sozialgeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel zitieren wir hier einmal kurz aus dem Geleitwort von Landesbischof Ralf Meister und Dr. Christoph Künkel, Direktor Diakonie Niedersachsen:
“Die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und ihr Diakonisches Werk übernehmen Verantwortung für das Schicksal ehemaliger Heimkinder nach 1945.”
Tun sie das?!
Im November 2025,
Die Betroffenenvertretung der URAK Niedersachsen und Bremen