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Erklärung und Forderung der URAK-Betroffenenvertretung:

Endlich durchstarten!

BetroffenenvertreterInnen (BV) der „URAK Verbund Niedersachsen und Bremen“ nehmen Stellung zur Pressemitteilung der Landesregierung vom 13.03.2025 hinsichtlich ihrer Annahme der Angebote von Frau Niewisch-Lennartz und Frau Wernstedt, von ihren Berufungen als Delegierte zurückzutreten.

Zurückweisung des von der Landesregierung implizierten Vorwurfes eines voreiligen, unangemessenen Handelns unsererseits:

Nach langem Verschleppen erfolgt nun unter äußerem Druck endlich eine Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Viele Betroffene stehen aber auch darin immer noch vor immensen, hierarchischen Machtstrukturen, vor denen sie sich, ihre Bedürfnisse und ihr Leiden oft nicht ernst genommen sehen, und in denen kein als ausreichend empfundenes Handeln durch die Kirche erfolgt.

Die Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen (URAK) sind eine Struktur, die von evangelischer Kirche und Diakonie bereitgestellt wird. Sie sind das Gremium, indem Betroffene institutionell an der Aufarbeitung aktiv beteiligt sind.

Eine Vorgabe der URAK ist, dass nur ein begrenzter Anteil der Mitglieder „kirchennah“ zu sein hat. Mit den beiden nun zurückgetretenen Delegierten wären zwei als unabhängig zu besetzende Stellen mit Personen ausgefüllt worden, die durch ihre Tätigkeiten als kirchennah einzuordnen sind.

In einer Kommission, die das Handeln einer Organisation (hier der Kirche) kritisch prüfen soll, muss auch ein Gegengewicht geschaffen werden zu den ohnehin mit Kirchenangehörigen besetzten Positionen; ansonsten ist die Arbeit nicht mehr als unabhängig bewertbar und der Name der Kommission verliert seinen Sinn. Dass die beiden vorgeschlagenen Delegierten als nicht kirchenunabhängig zu sehen sind, war der entsendenden Landesregierung bereits länger bekannt.

Ein „scannen“, wie es unfreundlich formuliert wurde, sollte eher gesehen werden als Prüfung darauf, ob die Struktur dem Anspruch gerecht wird. Einem Widerspruch „beleidigt“ zu begegnen, spricht nicht für den Willen, dem Aufarbeitungsanspruch gerecht zu werden. Die beiden von der Landesregierung vorgeschlagenen staatlichen Vertreterinnen haben ausdrücklich angeboten, zurückzutreten und wir wollten ihr Angebot dankend annehmen.

Bedauern über die zeitlichen Abläufe:

Wir bedauern außerordentlich, dass uns ein persönlicher Kontakt mit den nun zurückgetretenen Delegierten nicht möglich gewesen ist. Wir hätten unsere Bedenken sehr gern in einem direkten Gespräch geäußert – auch vor dem 28.03.2025, der als Aufschlag für die niedersächsisch-bremische URAK geplant war. Es war und ist uns ein aufrichtiges Anliegen, unseren Bedenken und ihre Hintergründe zu erläutern. Das entspricht aus unserer Sicht einem wertschätzenden Umgang mit Menschen, die sich dieser komplexen Aufgabe stellen, und ist der Tragweite der Geschehnisse angemessen. In diesem Zusammenhang unterstreichen wir ausdrücklich die bereits häufiger geäußerte
Aussage, dass unsere Kritik sich nicht auf die Persönlichkeiten selbst bezieht, sondern auf deren Tätigkeiten bei Kirche oder kirchennahen Gremien in der Vergangenheit und teils bis heute.

Wesentliche Aspekte und Chronologie:

  1. Die Landesregierung ist auf die seit geraumer Zeit von Betroffenen geäußerte Kritik in keiner Weise eingegangen. Wie übrigens auch nicht auf diverse schriftliche Äußerungen Betroffener zuvor. Ein erster Kontakt erfolgte bereits im Mai 2024 telefonisch mit zwei zum Thema „sexualisierte Gewalt“ arbeitenden ReferentInnen der Fraktionen von SPD und Grünen. Diesen folgte zeitnah ein schriftlicher Hinweis per E-Mail, der jedoch ohne Resonanz blieb. Weitere Zwischenrufe von Betroffenen folgten an verschiedenen Stellen. Die UBSKM Kerstin Claus mahnte wesentlich später – nämlich in einem Schreiben an die Landesregierungen – im Januar 2025 an, dass die Besetzung der Delegierten durch dieselbigen mit Kirchen-neutralen Persönlichkeiten erfolgen solle (lt. eigener Darlegung im Podcast des NDR ‚vertikal – horizontal‘ am 26.01.2025).
  2.  Zuletzt blieb eine E-Mail von uns an die Staatskanzlei am 22.02.2025 zunächst ohne Antwort. Erst am 10.03.2025 erhielten die beiden Absender aus der BV eine Rückmeldung aus der Staatskanzlei, jedoch erst NACHDEM bereits der Rücktritt zumindest seitens Frau Niewisch-Lennartz am selben Tag vorlag. Und natürlich stellen wir uns damit die Frage, ob die Anliegen von Betroffenen tatsächlich immer so ernst genommen werden, wie es die Außendarstellung der Landesregierung jetzt abbilden möchte.
  3. Wir verstehen nicht, wieso die Schilderung der Tätigkeiten in verschiedenen Gremien der Kirche nicht selbstverständlich als kirchennah verstanden wird.
    Wir verstehen nicht, dass Schreiben von Betroffenen, die vor der Wahl in die BV als Einzelpersonen handelten, nicht beantwortet wurden und die Landesregierung erst jetzt so überrascht reagiert.
  4. Wir möchten darauf hinweisen, dass die von der Landesregierung aufgeworfene, aber nicht weiter spezifizierte Frage nach strukturellen Aspekten sich hoffentlich nicht auf die Beteiligung Betroffener in den URAKs bezieht, sondern auf die von Politik und Kirche geschaffene Grundlage, die uns Betroffene vor vollendete Tatsachen stellt, auf die wir angemessen und sachlich reagieren.
  5. Betroffene haben sich aufgrund ihrer Biografie und häufig durch den Leidensweg nicht nur eine gern zitierte ‚theoretische‘ Expertise erarbeitet, sondern diese macht sie tatsächlich zu ExpertInnen in diesem Bereich. Der Grund dafür ist häufig, dass sie auf sich selbst gestellt und allein deshalb gezwungen sind, sich durch einen Behördendschungel zu kämpfen. Wir möchten uns auf Augenhöhe mit unserem Gegenüber auseinandersetzen und im Fall der URAK mit allen Delegierten vertrauensvoll zusammenarbeiten. Es macht Sinn, an dieser Stelle noch einmal an die Ergebnisse der ForuM-Studie (https://www.forum-studie.de/) zu erinnern.
  6. Es gab zu keinem Zeitpunkt ein Gesprächsangebot aus Richtung der Landesregierung und das wäre zur Einordnung der Situation durchaus sinnvoll gewesen. Zum Abschluss erklären wir ausdrücklich, dass wir uns der komplexen Aufgabe in einer als Team wirkenden URAK mit vollem Engagement, Teamgeist und unserer Kraft einsetzen werden.
  7. Wir erwarten von der Landesregierung neue Vorschläge, damit die gemeinsame Aufarbeitung in einem konstruktiven Dialog auf Augenhöhe durchstarten kann. Gut bekannt sind mindestens drei Universitäten in Niedersachsen, die sich sicher gern mit ExpertInnen einbringen würden.

Wir bedanken uns für Ihr Interesse.
Die Betroffenenvertretung der „URAK Verbund Konföderation und Bremen“